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Channel: Kommentare zu: Missbrauchsopfer? – Selbst Schuld!

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Von: Klaus Schlagmann

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Hallo,

erst einmal herzlichen Dank allerseits für die engagierte Teilnahme an der Diskussion!

Ja, das Umgehen mit den ganz berechtigten Bedürfnissen von Menschen kann in psychotherapeutischen / psychiatrischen Einrichtungen schon manchmal sehr merkwürdig sein (wie kar richtig schreibt). Dies möge für alle wohlmeinenden Profis eine Mahnung sein, sich immer wieder selbst kritisch zu hinterfragen, ob nicht womöglich im eigenen Verhalten Respektlosigkeit zum Ausdruck kommt. (Und sollte es dann mal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen “Profi” und Klient kommen, dass man sich zumindest bemüht, sie fair auszutragen.)

Ja, Hellingers Äußerungen gehören auch für mich zum Übelsten, was die Pycho-Szene hervorgebracht hat. Schon in meiner ersten Publikation von 1996 hatte ich zwei seiner Positionen aufgegriffen und attackiert.

Was aber Hellinger von Kernberg unterscheidet: Hellinger repräsentriert derzeit NICHT eine Therapierichtung, die von den Krankenkassen umfangreich finanziert wird. Man kann deshalb vielleicht Hellinger noch relativ leicht als verschrobenen Auswuchs der Psycho-Szene ad acta legen. (M.E. sollte man dies natürlich NICHT tun, denn dazu ist das, was er von sich gibt, viel zu gefährlich.)

Vielen Dank an Wilma für den überaus aufschlussreichen Hinweis auf die Webseite von Vacchs! Diese Webseite finde ich großartig, erlaube mir hier aber eine Anmerkung zu der folgenden Passage, die sich dort findet:

“Zur Person ‘Bert’ Hellingers: Besagter ‘Bert’ Hellinger (mit bürgerlichem Anton Hellinger) ist ehemaliger katholischer Missionar, der sich im Jahr 1971 von seinem Orden gelöst hatte und statt weiteren von Missionierungsarbeit unter Zulus eine Form der ‘Therapie’ entwickelte, ohne dass er selbst eine einschlägige Ausbildung als psychologischer Psychotherapeut oder Humanmediziner mit Fachrichtung Psychiatrie an einem hierzulande anerkannten Ausbildungsinstitut aufweisen kann.”

(Übrigens, ein möglicher Grund für Bertis Namensänderung: “Bert” leitet sich ab aus dem Althochdeutschen berath = glänzend, berühmt.)

Der Fall von Kernberg macht deutlich, dass gerade eine Ausbildung als psychologischer Psychotherapeut oder als Humanmediziner mit Fachrichtung Psychiatrie NICHT automatisch davor bewahrt, unsägliche Opferbeschuldigung zu betreiben.

Sicherlich ist es erleichternd, wenn ganze Organisationen sich gegen irgendwelche Gurus stellen und diese irgendwann bremsen. Leider kommt es jedoch auch vor, dass sich manche Gurus ganze Organisationen zu willfährigen, schlagkräftigen Truppen abrichten, mit deren Hilfe sie dann weiteres Terrain erobern. Im Fall von Sigmund Freud bzw. Otto Kernberg scheint mir das Letztere der Fall zu sein. Deshalb ist die Gefahr aus dieser Ecke m.E. besonders groß.

Anders als Hellinger repräsentiert Kernberg eine Therapierichtung, die (leider noch) durch einen breiten Konsens (z.B. unter Intellektuellen, Journalisten, Ärzten, Therapeuten …) quasi als unangreifbar gilt. Diffus wird der (Freudschen / Kernbergschen) Psychoanalyse eine große Bedeutung beigemessen – auch wenn die Leute in der Regel nicht anzugeben wissen, worin sie genau bestehen soll. Es werden immer noch – Jahr für Jahr – riesige Fortbildungen organisiert, auf denen Kernberg gern gesehener Gast ist. Man darf davon ausgehen, dass er auch in diesem Jahr wieder in Lindau aufzutreten gedenkt. Und die Organisatoren und wissenschaftlichen Leiter – seit Jahren Frau Prof. Verena Kast (die Autorin vieler Bücher) und Prof. Manfred Cierpka, seit letztem Jahr auch Herr Prof. Peter Henningsen – reagieren einfach nicht auf meinen fast jährlich wiederholten Hinweis auf Kernbergs Position. Auch die Bürgermeister der Stadt reagieren nicht. Auch, dass zum 60-jährigen Jubiläum der Lindauer Psychotherapiewochen (2000) eine historische Untersuchung belegt hat, dass diese Veranstaltung zu Beginn ein Tummelbecken für Vertreter einer faschistischen Ideologie war, macht die Verantwortlichen nicht vorsichtiger im Umgang mit ihren Referenten.

Und so setzt sich vorerst diese unselige Ideologie der Opferbeschuldigung munter fort. Und so arbeite ich weiter daran, gegen diese Form des pseudotheoretischen Sadismus Einspruch zu erheben – in der Hoffnung, dass es dereinst doch noch zu einem ausdrücklichen, vehementen, unmissverständlichen Widerspruch gegen derartige Thesen kommt.

Herzlicher Gruß – und (in diesem Sinne) allseits einen guten Start ins neue Jahr!


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